Wenn es am Sonntag in Saint-Denis um den EM-Titel geht, wird der Weltmeister nicht aktiver Teil des Geschehens sein. Der deutschen Mannschaft blieb der Sprung ins Endspiel verwehrt, sie verlor ihr Halbfinale in Marseille gegen Frankreich mit 0:2. Antoine Griezmann war als Doppeltorschütze der gefeierte Mann des Abends, ihm wird die Torjägerkrone mit nun sechs Treffern kaum noch zu nehmen sein.

Bärenstarke erste Hälfte der Deustchen

Im Zustandekommen muss die Niederlage aus deutscher Sicht als überaus unglücklich bezeichnet werden. Zwar legten die Franzosen vor 60.078 Zuschauern im Stade Vélodrome forsch los, attackierten früh und erarbeiteten sich die erste Torszene. Manuel Neuer parierte gegen Griezmann stark (7.). Danach indes erlosch das Feuer beim EM-Gastgeber schnell. Die Deutschen bekamen das Geschehen zunehmend in den Griff und dominierten nach Belieben. Diese gut 35 Minuten waren das Beste, was die DFB-Auswahl bei diesem Turnier ablieferte. Enorm ballsicher, zweikampfstark – man schnürte den Gegner förmlich ein. Drei, vier gute Torszenen blieben allerdings ungenutzt.

Frankreich sah nahezu keinen Stich, verlegte sich notgedrungen komplett aufs Kontern, bekam jedoch nur eine Gelegenheit, als Jérôme Boateng an der Mittellinie ein Luftduell gegen Olivier Giroud verlor. Der Stürmer ging auf und davon. Benedikt Höwedes nahm die Verfolgung auf, eilte mit Riesenschritten heran und blockte den Schuss des Franzosen im letzten Moment dank eines grandiosen Tacklings ab (42.).

So sollte ein EM-Halbfinale keinesfalls entschieden werden

Die Deutschen also ließen gar nichts zu. Zum Ende des ersten Durchgangs sprach wenig gegen den Weltmeister. Dann war die reguläre Spielzeit längst abgelaufen. Nachspielzeit wurde nicht angezeigt. Nicola Rizzoli monierte die zögerliche Ausführung eines französischen Eckstoßes. Doch statt das Treiben mit dem Halbzeitpfiff berechtigterweise zu beenden, ließ der Italiener die Franzosen den Eckball ausführen. Und dann unterlief Bastian Schweinsteiger ein ähnlich unglückliches Handspiel im Strafraum, wie es Jérôme Boateng im Viertelfinale zur Last gelegt wurde. Von Absicht keine Spur! Natürlich hatte die Hand da oben nichts zu suchen. Im Gerangel mit Patrice Evra stellte sich die unnatürliche Armhaltung allerdings weit weniger deutlich dar. Um eine Fehlentscheidung handelte es sich nicht, gewiss kann dieser Elfmeter gegeben werden - muss er aber nicht. Selbst die Franzosen waren überrascht. Die Kombination von Art und Zeitpunkt der Entscheidung stellte hier das Problem dar. In jedem Fall jedoch sollte ein EM-Halbfinale nicht auf diese Weise entschieden werden. Wurde es aber ...

Die Führung spielte der "Équipe Tricolore" und ihrer Taktik in die Karten. Doch es blieb genügend Zeit, das zu korrigieren. Auch nach Wiederbeginn zeigten sich die Deutschen überlegen. Zunehmend allerdings offenbarte sich, es sollte nicht sein. Vieles lief gegen den Weltmeister. Kleine Puzzleteile im Vorfeld wie die Verletzungen von Gómez und Khedira, die unberechtigte Gelbsperre gegen Mats Hummels, die Ansetzung dieses italienischen Schiedsrichters und der Verlauf der Partie ließen alsbald nichts Gutes ahnen. Und als Jérôme Boateng verletzt ausgewechselt werden musste (61.), wurde klar, dass es wohl eher einen zweiten Gegentreffer als den Ausgleich geben sollte. Und so geschah es auch. Eine Fehlerkette (Höwedes, Kimmich, Neuer und Schweinsteiger) ermöglichte Antoine Griezmann das zweite Tor (72.). Entscheidend war das nicht mehr.

Chancen gab es zuhauf

Zwar ackerte die deutsche Elf bis in die Nachspielzeit hinein und erarbeitete sich in der Tat noch hochkarätigste Gelegenheiten. Die eklatante Abschlussschwäche jedoch machte den Männern von Joachim Löw einen Strich durch die Rechnung. Dies wäre der einzige Punkt, der zum Vorwurf taugen würde – wenn man das Toreschießen denn erzwingen könnte. Das aber ist nicht möglich – vor allem, wenn das entsprechende Personal nicht zur Verfügung steht. Die Ladehemmungen begleiteten das deutsche Team über weite Strecken der EURO 2016. Und wenn es eben nicht gelingt, die eigene Dominanz rechtzeitig in ein angemessenes Resultat zu überführen, dann hat man trotz Überlegenheit unter ungünstigen Bedingungen auch mal das Nachsehen.

Frankreich ringt mit Portugal um den Titel

Während das DFB-Team die Heimreise antreten wird, freut sich ganz Frankreich auf das große Finale am Sonntag. Gegner wird die Mannschaft Portugals sein.